Isabel Santol

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The Love Recordings

 

   

Gibt es perfektere musikalische Kunstwerke als die des Great American Songbooks? Möglicherweise. Aber Isabel Santol liebt sie mehr als alles, diese Songs aus den 20er, 30er und 40er Jahren. So wie Millionen Menschen seit Jahrzehnten diese Lieder lieben, in denen künstlerische Inspiration, Poesie und Handwerk eine glückliche Verbindung eingingen. Tatsächlich können Lieder, die seit Generationen die Gefühlstiefen der Liebe ausloten und immer noch als wahrhaftig erkannt werden, so schlecht nicht sein.

Wer liebt, weiß, was Verlassensein, Untreue und Verrat, Heimlichkeiten und Hass, aber auch Freude, Wärme, Vertrauen, Abschied, Verzeihen und Neuanfangen bedeuten. In Liedern haben diese Gefühle Platz, es ist ihr Ort, den sie sich seit Jahrtausenden nicht nehmen lassen. Was nicht heißt, dass Isabel Santol die Lieder des Great American so singen muss, wie sie seit Jahrzehnten gesungen wurden. Wenn Isabel Santol die uralten Gefühle besingt, so wie sie bei „Lover Man“, „That Old Feeling“ oder „Darn That Dream“ direkt in Hirn und Herz treffen, so bemüht sie nicht die Arrangements von einst. Sie gehorchten natürlich dem Zeitgeschmack von damals, und wer befürchtet, dass es mitunter schwer fällt, die Schönheit der Songs unter damaligen zuckrig bis zickig klingenden Zurichtungen herauszuhören, liegt mit seiner Angst ja nicht unbedingt falsch.

Glücklicherweise hat sich Isabel Santol bei ihrer Neuinterpretation der Standards nicht dazu verleiten lassen, etwa kitschig klingende Violinen lediglich durch modern klingenden Wohlklang, möglicherweise durch Saxophone, auszutauschen. Nein, sie ist einen Schritt weitergegangen. Sie unterzieht, zusammen mit dem Gitarristen Heimo Trixner und dem Drummer Stephan Maass, ihre Lieblingslieder einer Radikalkur der Totalerneuerung. Bis auf den Kern der Kenntlichkeit werden die Songs reduziert und dekonstruiert – und erstrahlen neu im Glanz einer E-Gitarre und ihrer dezenten Effekte, dem gefühlvollen, Akzente setzenden Spiel des Drummers und natürlich dem Gesang von Isabel Santol, der treffend zwischen erotischer Coolness und melancholisch anmutender Lebensweisheit changiert. So wird im getragenen Rhythmus musikalischen Kunstwerken Tribut gezollt, die es wert sind, einmal mehr gehört zu werden – ganz ein Werk der Liebe eben, diese „Love Recordings“.

Harald Justin, Jazz-Journalist, Wien